Auf Augenhöhe

Der Schreibtisch ist aus schwarz lackiertem Holz. Die Tischbeine sind gedrechselt. Die Schubfächer lassen sich mit fein gearbeiteten schmiedeeisernen Bügeln öffnen. Schlüssel mit reich dekorierten Griffen stecken in den Schlössern.

Das eindrucksvolle Möbelstück aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts könnte einem Unternehmer gehören oder einem Bankier, aber das ist nicht der Fall. Er steht seinerzeit in Köln-Bickendorf im Privathaus von Hans Böckler, seit 1949 erster Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), und ist ein Ausdruck von dessen Macht und Einfluss.

Wie viele Verantwortliche in der Politik will auch Böckler den Neubeginn nach 1945 nutzen, um eine sozial ausgerichtete Wirtschaftsordnung durchzusetzen. Er fordert für die Gewerkschaften stärkeren Einfluss in den Unternehmen. Ein anderer langjähriger Gewerkschafter ist Karl Arnold, der 1947 der erste gewählte Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen wird. Auch er möchte – so die Wahlplakate von 1947 – neue, besonders soziale Wirtschaftsmodelle erproben.

Hans Böcklers Stunde schlägt im Januar 1951. Die Arbeiter in der Kohle- und Stahlindustrie des Ruhrgebiets sind zum Streik entschlossen. Da gelingt Böckler der große Coup. Er kann Bundeskanzler Konrad Adenauer und die Vertreter der Wirtschaft davon überzeugen, der sogenannten paritätischen Mitbestimmung in der Montanindustrie zuzustimmen. Bis heute sind die Aufsichtsräte in diesen Branchen in etwa zu gleichen Teilen mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern besetzt. Ein alter Traum der Gewerkschaften geht in Erfüllung.