Gescheiterte Atomträume

Die Angst vor Energieknappheit und der Glaube an den technischen Fortschritt wecken auch in Nordrhein-Westfalen die Begeisterung für Atomenergie. In der Nähe von Jülich entsteht eine Kernforschungsanlage mit Versuchsreaktoren und in den 1960er Jahren gibt es erste Überlegungen für den Bau von Atomkraftwerken.

Die Lösung der Energiesorgen soll der Kugelhaufenreaktor bringen. Die Technologie ist ein nordrhein-westfälisches Eigengewächs: Der Prototyp dieses Reaktors wird in der Kernforschungsanlage Jülich entwickelt, sein Erfinder ist der im Münsterland geborene Physiker Rudolf Schulten. Nach seinen Vorarbeiten plant eine Betreibergemeinschaft die Errichtung eines sogenannten Thorium-Hochtemperaturreaktors (kurz: THTR) im westfälischen Hamm.

Das Besondere am THTR ist seine Kugelhaufenbauweise: Der atomare Brennstoff wird in hitzebeständige Graphitkugeln von wenigen Zentimeter Durchmesser verpackt – etwa 670.000 dieser schwarzen Kugeln bilden den Reaktorkern. Mit ihnen lässt sich die Kernspaltung steuern. Die dabei entstehende Wärme wird zur Stromerzeugung genutzt. Doch die komplizierte Mechanik ist störanfällig und es kommt häufig zum Kugelbruch.

Nach einer langen, pannenreichen Planungsphase nimmt der Reaktor in Hamm 1987 den kommerziellen Betrieb auf. Technische Probleme zwingen aber schon zwei Jahre später dazu, den Reaktor vorübergehend stillzulegen. Die Stimmung im Land hat sich mittlerweile gewandelt: Bürgerinitiativen protestieren gegen den THTR und die Betreibergesellschaft ist in finanziellen Schwierigkeiten. 1989 folgt das endgültige Aus – die strahlenden Überreste warten bis heute in Castorbehältern auf eine Lösung.