Kostbare Fracht

Der kleine Teddybär ist gefertigt aus einem alten braunen Kindermantel und in eine rote Strickhose mit Hosenträgern gekleidet. Er zeigt deutliche Spuren seiner über 70 Lebensjahre. Sein Innenfutter hat sich aufgelöst und er kann ohne Stütze nicht mehr sitzen. Diesen Teddy trägt die damals dreijährige Heidrun Böhm sicher in ihrem kleinen Rucksack auf der Flucht von Dresden bis nach Bad Driburg, in die Nähe von Paderborn. Er ist ihr wertvollster Besitz, ein selbstgemachtes Geschenk ihrer Mutter. Lange Jahre ist er ihr stetiger Begleiter und treuer Freund.

Kostbare Fracht besitzt auch ein junges Ehepaar, das im März 1945 aus Brandenburg flieht. In dem unscheinbar wirkenden, aus Weiden geflochtenem Wäschekorb transportieren die beiden neben Silberbesteck und Tischwäsche auch ihr drei Monate altes Baby. Zu Fuß tragen die Eltern das Kind im Weidenkorb von Jüterbog zunächst bis an die Nordsee, hier vermuten sie entfernte Verwandte. Gelegentlich werden sie auf dem Weg von Lastwagen der Wehrmacht mitgenommen. In Büsum an der Nordsee angelangt, finden sie die Verwandten nicht. Ein Dorfbewohner nimmt sie in seinem Haus auf. Der Weidenkorb ist bis heute im Besitz der Familie, die sich schließlich in Bielefeld niederlässt.

Wie diese beiden Familien fliehen Millionen Menschen mit kaum mehr als ihrer Kleidung am Körper und Handgepäck in den Wirren am Ende des Zweiten Weltkriegs in Richtung Westen. Viele Tausende verlieren dabei ihr Leben. Andere werden von ihren Familien getrennt, manche finden am Zielort wieder zueinander.